Der Familie Moser gehört Oberdorf. Oder zumindest sagen sie das über sich selbst. Schon Kurts Grossvater hat Schafe auf die Weide getrieben und mittlerweile gehört ihnen eine stattliche Herde. Als eine der grössten Bauernfamilien und mit Regula als Gemeindepräsidentin können sie auf jeden Fall durchgreifen. Und das werden sie auch.
Die jüngste Generation ist gerade erwachsen geworden. Noch unerfahren, doch voller jugendlicher Energie und Tatendrang. Sie sind vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, nehmen Teil an Politik und Arbeitsleben. Und damit sind auch entsprechende Erwartungen verbunden. Während die einen das ernst nehmen, stecken andere noch mit einem halben Fuss in der Kindheit. Was jedoch für alle zum erwachsen werden dazu gehört: Heiraten.
Oberdorf liegt weiter hinten im Tal als Niederdorf. Es ist höher gelegen, der Schnee bleibt im Frühling ein paar Tage länger liegen. Die kleinen Häuser schmiegen sich verstreut an den Nordhang, und erhalten deshalb entsprechend wenig Sonne. Die schroffen Felsen auf der anderen Seite des Tals und regelmässige Gerölllawinen verhindern den Anbau von Korn. Doch im Sommer sind die Hänge voll von grasenden Schafen und man könnte sagen, das Blöken der Tiere ist das Wahrzeichen von Oberdorf. Ein kleiner Fusspfad führt vom Pass aus den Bergen durch den Ort und windet sich dem kleinen Bach entlang, der durch das Dorf und weiter Richtung Niederdorf plätschert.
Manche mögen sagen, die Oberdörfler*innen seien ungebildet, hinterwäldlerisch und so dickköpfig wie ihre Schafe. Doch die Menschen in Oberdorf wissen, dass ihre Wolle die einzige ist, die im Winter richtig warm hält. Sie wissen, wie man richtig anpackt und dass man mit Gottvertrauen viel erreichen kann. Wer wagt, gewinnt.
Hier oben komm selten jemand vorbei und der Weg in die Stadt ist weit – aus Oberdorf würde nie jemand weg. Dazu sind die Oberdörfler*innen zu stolz. Das Leben ist zwar hart, aber es ist ihr Zuhause. Die Welt ist überschaulich hier oben und man hat die Probleme schon immer selbst gelöst. So wird es auch bleiben.
Das sagen Oberdörfler:innen über sich:
widerstandsfähig, stolz, stark
Das sagen andere über Oberdörfler:innen:
ungebildet, hinterwäldlerisch, stur
Du liebst es, mit einem Buch unter dem Arm durch die Wälder und Wiesen zu streifen. Das Gras unter den Füssen zu spüren, den harzigen Duft der Bäume in der Nase und von den Hängen auf dein kleines Oberdorf zu blicken. Von da oben wirkt es klein. Fast so klein, wie die Welt in den Köpfen der Bewohner*innen. Wie wenn die Häuschen aus einem Sack gepurzelt wären, der ein grosser Riese hinter sich her geschleift hat, auf dem Weg über den Pass. Vielleicht hat er sich damals, vor zehntausend Jahren am Schrattengrat angelehnt und Pause gemacht. Und dabei ein Stück der Felswand herausgerissen, die mit grosser Wucht ins Tal gedonnert war. Die erste Schrattenlaui, die erste Lawine von dem berüchtigten Berghang.
Lächelnd schaust du die Berge hoch. Eine zu grosse Fantasie hättest du, haben sie schon früher gesagt. Doch seit dir deine Lehrerin Regina Gotthelf am ersten Schultag dein erstes Buch in die Hand gedrückt hat, war es um dich geschehen. Die Worte, die du entziffert hatten, haben dich in Welten entführt, die du nie für möglich gehalten hättest. Bald hast du begonnen, dir eigene Dinge auszudenken. So viele Möglichkeiten. Was, wenn in der Höhle am Hang eine alte, schrumplige Hexe wohnt und ihren giftigen Pilzgarten in der Grotte pflegt? Du hast begonnen, Dingen eigene Namen zu geben. Der Feenwald, auf der anderen Talseite. Der Boden bedeckt, mit dem Glitzermoos. Und dann die Flügelspringer, die kleinen Wichte, die an den Wasserfällen wohnen, sich auf Futtersuche in die Tiefe stürzen. Sie kommunizieren mit Wassergurgeln und nutzen die bunte Gischt, um sich kilometerweit Signale zu schicken.
Ach, wenn sie es nur sehen könnten. Traurig umschlingst du dein Buch, wenn du daran denkst, wie deine Mutter Regula Moser tagaus, tagein nichts anderes tut, als arbeiten. Deine Flausen sollst du dir aus dem Kopf schlagen. Das Amt der Gemeindepräsidentin verschlingt sie komplett. Und dein Vater, Wilhelm Moser wiederum, ist selber komplett von deiner Mutter und seinen Ängsten eingenommen. Ihre Welt ist so klein.
Neuerdings hast du sie abends über dich reden hören. Beide sind der Meinung, dass du heiraten und den Hof übernehmen sollst. Du bist aus allen Wolken gefallen. Und das ohne Fallschirm. Sie wollen dich in ihre kleine Welt herunterreissen. Das kannst du nicht zulassen. Nicht jetzt. Du hast in deinem Leben bis jetzt kaum einmal einen Fuss nach Niederdorf gesetzt. Das kann noch nicht alles gewesen sein. Du willst die ganze Welt kennenlernen, einfangen, und wie kleine bunte Schmetterlinge in ein Buch pressen.
Du willst schreiben. Du willst die Geschichten aus deiner Umgebung und deinem Kopf festhalten. Vielleicht dann … vielleicht verstehen sie dann, was es ausserhalb ihrer Köpfe alles gibt. Wenn deine Eltern dein eigenes Buch lesen. Doch dafür musst du alles erleben. Und dich nicht verschliessen. Nicht vor Fremden und nicht vor deiner eigenen Fantasie.
Du hast ein grosses Vorbild, von welchem du noch nie jemandem erzählt hast: der Fremde in dem grossen Haus an der Grenze. Als du dich vor ein paar Jahren eines Nachmittags einer Hufspur gefolgt bist, die du vor dem Schulhaus entdeckt hast, warst du so in Gedanken versunken, dass du gar nicht gemerkt hattest, wie du auf einmal fast direkt vor dem Haus standest, als hätte dich eine unsichtbare Hand geleitet. Es brannte Licht und deiner Neugierde folgend, wolltest du einen kurzen Blick durch das Fenster erhaschen. Mehr als zwei Gestalten am Feuer konntest du nicht ausmachen. Doch auf einmal drang ein Bellen aus dem Inneren des Hauses, welches klang, als würde es direkt aus der Hölle kommen. Du hast dir vorgestellt von einem Zerberus verfolgt zu werden und ohne dich nochmals umzudrehen, ranntest du so schnell davon, wie dich deine Beine tragen konnten. Doch deine Neugierde siegte. Die folgenden Wochen bist du immer mal wieder zu dem Haus geschlichen, bist jedoch meist auf mehr Distanz geblieben. Du konntest beobachten, dass der Fremde oft in seiner Schreibstube sass, mit Tinte und Feder über Stapel von Papier gebeugt. Nichts hattest du dir mehr gewünscht, als einmal mit ihm zu sprechen. Doch der Sommer war vorbei, die Schule und deine Bücher riefen und auf einmal war es zu spät: Der Fremde soll beerdigt werden. Und damit verging auch die Chance, dich mit ihm zu unterhalten. Aber vielleicht kannst du ja in seinen Hinterlassenschaften herausfinden, was er zu schreiben gepflegt hatte.
Das Haus übt immer noch eine seltsame Faszination auf dich aus. Das mystische Bächlein in der Nähe. Die Wiese mit den Steinen, verstreut, wie riesige Hagelkörner aus Urzeiten, als die Welt noch mit Vulkanen besetzt war. Und mittendrin das Haus, der mysteriöse Besitzer, der seine Geheimnisse mit ins Grab nahm. So viele Geschichten. Und alles was die Leute aus Ober- und Niederdorf sehen sind Diskussionen über Grenzsteine und Nachkommenschaften. Und allen voran deine Mutter und dein Vater.
Nur dein Opa Kurt Moser ist da anders. Er erzählt gerne von früher, von damals, als deine Eltern noch jung waren. Du erzählst ihm gerne von deinen eigenen Fantasien und auch wenn sein Gedächtnis nicht mehr das beste ist, du glaubst auch, dass in dem alten Kopf noch einige unerzählte Geheimnisse schlummern. Vielleicht Dinge, die sich lohnen aufzuschreiben? Wenigstens hat er Zeit für dich, im Gegensatz zu deinen Eltern.
Und Marius. Er wohnt seit er ein Kind ist bei euch, über seine Herkunft weisst du nichts. Ihr seid wie Geschwister und du magst ihn sehr. Doch in letzter Zeit scheint ihn vieles zu beschäftigen. Auch seine Welt wird immer kleiner. Und statt als dein grosser, starker, heldenhafter Bruder, mit dir nachts durch die Lüfte zu fliegen, wie Peter Pan, scheint er oft wütend zu sein. Kann er sich nach all den Jahren denn immer noch nicht vorstellen, dein Bruder zu sein und zu der Familie zu gehören? Wie kannst du ihn nur dazu bringen? Wenn es nach dir gehen würde, würde Marius den Hof übernehmen, aber deine Mutter sieht das aus irgendeinem Grund anders.
Sie alle werden an der Beerdigung anwesend sein. Du kannst dich gar nicht erinnern, ob schon jemals deine ganze Familie gemeinsam so etwas Spannendes unternommen hat. Du kannst es kaum erwarten, dich ins Abenteuer zu stürzen. Es fühlt sich so an, als würden die Leute noch in 100 Jahren über diesen Tag reden. Fast fühlt es sich so an, als wärst du selber eine Heldin aus einem deiner Bücher. Oder vielleicht sogar eine Bösewichtin? Bei dem Gedanken fühlst du ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch. Es gibt so viele Möglichkeiten!
Dies ist die persönliche Seite für deinen Charakter. Der Link hierzu ist nirgends auf der Webseite für andere ersichtlich. Hier findest du alle Informationen, die du brauchst, um deinen Charakter zu spielen.
Lies dir deinen Charakterhintergrund gut durch. Falls du dich schon vor dem Spiel mit deinen Mitspielenden vertraut machen willst, machst du das am besten auf unserem Discordserver
“Wenn Einer Geht” ist ein intransparentes Spiel. Lies also nur deinen eigenen Charakter und verrate keine Geheimnisse an andere Spielende vor dem Larp.
Du darfst gerne eigene Ideen einbringen, achte aber darauf, dass die Fakten im Hintergrund bestehen bleiben. Es gibt vielleicht andere Charaktere, deren Geschichte davon abhängt.
Wenn du persönliche Absprachen mit anderen Spielenden triffst, plane bitte keine konkreten Szenen oder Spielverläufe voraus. “Wenn Einer Geht” soll gemeinsam vor Ort entstehen. Dafür musst du flexibel bleiben und auf alle möglichen Dinge reagieren können, die deinem Charakter widerfahren.
Stöbere auf der Webseite und lies dir die Informationen durch. Diese werden wir laufend weiter ergänzen. Falls du einen Fehler entdeckst, eigene Ideen, Sorgen, oder Input hast, schreib uns gerne an unter: info@roscht.ch
Du kannst aber auch einfach abwarten, an deinem Kostüm arbeiten und dich aufs Spiel freuen.
Unter "Die Dörfer" findest du die öffentlichen Beschreibungen aller Familien und Charaktere.
Du musst dir aber nicht alle Charaktere vor dem Larp merken. Konzentriere dich auf die Beschreibung deines eigenen Charakters und deiner Kernfamilie. Dies sind die Menschen, mit denen dein Charakter zusammen wohnt und die er gut kennt. Zusätzlich beinhaltet dein Hintergrund ein paar Beziehungen zu Charakteren ausserhalb deiner Familie, deren öffentliche Beschreibung du gerne anschauen kannst.
Im Workshop am Tag vor dem Spiel werden wir uns in den Familien, Generationen und Dorfgemeinschaft treffen und einander kennenlernen. Falls du keine Möglichkeit oder Lust hast, dich vorher mit Leuten abzusprechen, ist das vollkommen in Ordnung.